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30. Jahrestagung der Gesellschaft Junge Zivilrechtswissenschaft e.V.

Privatrecht 2050 - Blick in die (digitale) Zukunft vom 11. bis 14. September 2019 an der Universität Bayreuth

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Call for Papers

Call for Papers: Privatrecht 2050 – Blick in die (digitale) Zukunft

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

im nächsten September feiern wir mit Euch ein Jubiläum: die 30. Tagung der Gesellschaft Junge Zivilrechtswissenschaft e. V. Wir wollen das Jubiläum zum Anlass nehmen, den Blick auf das „Privatrecht 2050“ zu richten, um die wichtigsten Entwicklungen des Privatrechts in den kommenden drei Jahrzehnten auszumachen.

Wie das Generalthema schon verrät, sehen wir im digitalen Wandel eine ganz bedeutende Triebfeder für die künftige Entwicklung unserer Disziplin. Zum einen verändert er die Art und Weise, wie wir juristisch arbeiten („Legal Tech“). Zum anderen wirkt sich dieser Wandel auf den Gegenstand unserer Forschung aus: Er bringt neue Phänomene des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens hervor, deren privatrechtlicher Erfassung wir uns stellen müssen. Bereits jetzt lässt sich kaum ein Bereich des Privatrechts ausmachen, der sich von Einflüssen der Digitalisierung frei machen könnte. Die nachfolgenden Bemerkungen sind daher als bloße Anregungen für Themen zu verstehen.

Vertragsrecht und digitale Geschäftsmodelle

Besonders bemerkbar macht sich die Digitalisierung im Vertragsrecht. Die Digitalisierung der Vertriebswege und damit der Vertragsschlusssituationen ist in unserem Alltag längst allgegenwärtig. Ein neues Phänomen, das die Rechtsgeschäftslehre herausfordert, ist aber die stückweise Abkopplung von Vertragsschlüssen von menschlichen Entscheidungen. Digital wird allerdings nicht nur der Vertragsschluss, sondern auch sein Gegenstand. Zeugnis hierüber liefert unter anderem der Richtlinienentwurf der Kommission zu digitalen Inhalten ab. Diskussionen um die geschuldete Leistungsqualität müssen daher für Produkte, bei denen Updates und Patches an der Tagesordnung sind, neu geführt werden. Zudem bringt die Digitalisierung immer neue Geschäftsmodelle hervor, deren gemeinsamer Nenner oft mit einem „nutzen statt erwerben“ umschrieben werden kann. Der Kaufvertrag, (immer noch) prägend auch für den Zugang zum allgemeinen Schuldrecht, ist daher als Vertragstyp des industriellen Zeitalters auf dem Rückzug. Welche Vertragstypen werden die Lücke schließen, die er hinterlässt? Und in welchem Verhältnis stehen diese schuldvertraglichen Beziehungen zu den Immaterialgüterrechten, die an digitalen Inhalten bestehen können?

Daten zwischen Vermögens- und Persönlichkeitsrechten

Ein weiteres Kennzeichen neuer digitaler Geschäftsmodelle liegt in der Offenbarung von Kundendaten, die zahlreiche rechtliche Probleme aufwirft: Sind die Daten Gegenleistung und wird der Vertrag dadurch entgeltlich? Wie verhält sich die Einbeziehung von Daten in das vertragliche Synallagma zum Datenschutzrecht? Letzteres regelt die Persönlichkeitsrechte an Daten. Nicht spezialgesetzlich geregelt und damit möglicherweise noch viel problematischer ist aber die Frage, wem die Vermögensrechte an Daten zustehen, dem Betroffenen oder demjenigen, der durch seine Datenverarbeitung den Vermögenswert erst hebt. Eng damit verknüpft sind Überlegungen zu einem „Dateneigentum“, das sich in Österreich möglicherweise viel einfacher herleiten lässt als in der Schweiz und Deutschland, wo Sachenrechte nur für körperliche Gegenstände anerkannt sind.
Auch der vermögens- und persönlichkeitsrechtliche Gehalt von Daten führt immer wieder zu Konflikten, wenn Daten zu Nachlassgegenständen werden und sich die Frage stellt, wem die Rechte daran nach einem Todesfall zustehen.

Digitale Haftung

Die Digitalisierung stellt nicht zuletzt das (Produkt-)Haftungsrecht vor neue Herausforderungen (s. etwa das Arbeitspapier SWD(2018) 137 final der EU-Kommission). Während in der analogen Welt eher geringe Anforderungen an die Sicherheit von Produkten vor Sabotageakten Dritter gestellt werden, ist die Erwartung des Schutzes vor Angriffen Dritter in der digitalen Welt möglicherweise eine andere. Daneben stellt sich die Frage nach der Haftung (von Menschen) für Fehler von Computern. Der praktisch schon bedeutendste Fall ist das autonome Fahren – automatisierte Lieferdrohnen bergen möglicherweise künftig ähnliche Risiken.

Digitale Diskriminierung?

Die Digitalisierung fordert uns auch heraus, das Verhältnis von Freiheit und Gleichheit immer wieder aufs Neue auszutarieren. Denn der technische Fortschritt fördert zunehmend Möglichkeiten zu Tage, in Massengeschäften, die sich bislang durch eine relative Gleichbehandlung der Kunden auszeichneten, zu differenzieren. Bereits heute verbreitete Ausprägungen dieses Phänomens sind etwa die Koppelung von Kfz-Versicherungsprämien an das Fahrverhalten oder das sog. Dynamic Pricing.

Digitales Arbeitsrecht

Mit der Digitalisierung stellen sich auch für die Sonderprivatrechte neue Fragen. Im Arbeitsrecht wird etwa der Arbeitnehmerdatenschutz vor neue Herausforderungen gestellt. Gleichzeitig können immer mehr Arbeitnehmer von zu Hause oder unterwegs arbeiten. Diese neue örtliche Freiheit wird aber mit einer zeitlichen Unfreiheit bezahlt. Denn von dem, der überall arbeiten kann, wird das mitunter auch erwartet.

Tech-Giganten im Kartellrecht

Im Kartellrecht stellt sich vor allem die Frage, wie mit der Marktmacht der großen Tech-Konzerne umzugehen ist, die mit der vorgelagerten Problematik verknüpft ist, nach welchen Regeln die Marktabgrenzung in digitalen Märkten erfolgt.

Finanzmärkte

Ganz besonders sind auch die Finanzmärkte von der Digitalisierung betroffen. Der technische Fortschritt ermöglicht sekundenschnellen sog. Hochfrequenzhandel, der neue Herausforderungen an die Finanzmarktsicherheit stellt, eröffnet mit dem Peer-to-Peer-Crowdfunding aber auch neue Möglichkeiten der Unternehmensfinanzierung, die gerade für Gründer besonders attraktiv sein können. Zudem treten auf Blockchains basierte Währungen, wie Bitcoin, in Konkurrenz zu staatlichen Währungen. Die sich daraus ergebenden Rechtsfragen reichen vom Grundsätzlichen (Sind Bitcoin-Schulden Geldschulden?; Wie ist Datenschutz in der Blockchain möglich?), zum ganz Praktischen, wie etwa der Frage, ob und wie in Kryptowährungen vollstreckt werden kann.

Verfahrens- und Registerrecht

Ein denkbares Anwendungsfeld für Blockchain-Technologie bieten auch staatliche Register, wie das Grundbuch oder das Handelsregister. Ob der Zivilprozess papierlos geführt werden sollte, ist demgegenüber schon länger Gegenstand der Diskussion, aber kaum weniger brisant (elektronisches Anwaltspostfach, elektronisches Klageregister und elektronische Akte).

Lehren aus Geschichte und Philosophie

Die Beispiele haben gezeigt, dass die Digitalisierung zu ganz erheblichen Veränderungen im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben führt. Das Privatrecht musste auf derartige, durch technischen Fortschritt ausgelöste Veränderungen auch schon in der Vergangenheit reagieren. Zu denken ist etwa an die Industrialisierung und Elektrifizierung. Dieser Umstand kann der rechtsgeschichtlichen Forschung eine erhebliche Relevanz für Problemlösungen in der Gegenwart verleihen. Daher sollen sich auch Rechtshistoriker ermutigt fühlen, ihre Lehren aus der Geschichte für das Privatrecht der Zukunft vorzustellen. Uns interessiert aber auch die rechtsphilosophische Sicht: Welche Konsequenzen muss das Recht aus der immer schnelleren Entwicklung künstlicher Intelligenz und der immer größeren Autonomie dieser Intelligenz von ihren Erschaffern ziehen? Hat diese Entwicklung Einfluss auf die Diskussion um eine Computerpersönlichkeit?

Legal Tech

Parallel zu diesen neuen sachlichen Herausforderungen führt die Digitalisierung auch zu einem Wandel der Arbeitsweise von Juristen. Das Anwendungsfeld für digitale Lösungen scheint fast so breit, wie das Feld der juristischen Tätigkeit. Verlassen wir uns heute bereits auf digitale Datenbanken, werten die Ergebnisse aber noch selbst aus, wird uns diese Arbeit womöglich bald zumindest teilweise abgenommen. Das mag als Arbeitserleichterung begrüßt werden. Aber was bedeutet das für die juristischen Berufsbilder? Verschiebt sich nur unser Aufgabenzuschnitt oder werden wir gar nicht mehr gebraucht?

Welche rechtsstaatlichen Risiken sind damit verbunden, wenn juristische Entscheidungen eines Unternehmens- oder Verwaltungsjuristen, eines Anwalts, Staatsanwalts oder gar Richters durch künstliche Intelligenz abgenommen oder vorbereitet werden? Führt das zur Vermeidung von Fehlentscheidungen oder bleibt bei Entscheidungen, die in Binärsystemen getroffen werden, die Einzelfallgerechtigkeit auf der Strecke, weil der „Subsumtionsautomat“ kein „es kommt darauf an“
kennt?

Oder ist die Zukunft des Privatrechts doch nicht „digital“?

Dem aufmerksamen Leser wird kaum entgangen sein, dass im Titel das Wort „digital“ in Klammern gefasst ist. Das soll als Hinweis darauf verstanden werden, dass unser Blick in die Zukunft ohne Scheuklappen erfolgen soll. Wir würden daher gerne diskutieren, ob die Digitalisierung tatsächlich die mitunter beschriebene Zeitenwende für das Privatrecht einläutet oder ob es damit getan ist, die digitalen Sachverhalte mit dem bewährten Rüstzeug zu bewältigen. Wenn es nicht die Digitalisierung ist, mögen es vielleicht ganz andere Veränderungen sein, die für das Privatrecht 2050 prägend sein werden. Zu denken ist etwa an den Klimawandel und die Energiewende, den demographischen Wandel und die Migration. Daran schließt sich die Frage an, wie solche Veränderungen auf das Privatrecht einwirken. Wird das Privatrecht mehr und mehr zum Mittel politischer Gestaltung oder steht auch in dreißig Jahren der Interessenausgleich unter Privaten noch im Vordergrund?

Kurzum: Es soll sich ein/e Jede/r angesprochen fühlen – nicht nur bekennende Computer-Nerds –
die aus ihrer/seiner Perspektive in der Zukunft wichtigsten Fragen des Privatrechts zu stellen und
am besten auch zu beantworten.




Bewerbungsverfahren

Bewerbungen sind bis zum 23. April 2019 unter papers-gjz@uni-bayreuth.de einzureichen. Sie sollen enthalten:

  • ein anonymisiertes Exposé von bis zu zwei Seiten und

  • einen Lebenslauf.

Etwaige Rückfragen sollen bitte ohne Bezug zum vorgeschlagenen Paper an malte.kramme@uni-bayreuth.de gerichtet werden. Erfolgreiche Bewerber/innen erhalten die Möglichkeit, ihr Thema auf der Tagung in einem 20-minütigen Referat in deutscher Sprache vorzustellen. Zudem soll der Beitrag im Tagungsband abgedruckt werden. Hierfür ist es erforderlich, dass uns die Schriftfassung des Beitrags vor der Tagung zugeht.

Das Bayreuther Organisationsteam

Elena Beyer, Katharina Erler, Christoph Hartmann, Dr. Malte Kramme,

Dr. Michael Müller, Dr. Tereza Pertot, Elif Tuna, Dr. Felix M. Wilke


Dokumente

Call for Papers (PDF,Download)


Verantwortlich für die Redaktion: Dr. Felix Wilke

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